Krieg, Geschichte, Kriegsgeschichten

Der Vietnamkrieg hat eine ganze Generation geprägt, und zwar die Generation meiner Eltern. Er war zu Ende, bevor ich geboren wurde. Eine Folge davon ist, dass mein Wissen darüber vor allem aus Hollywood-Filmen stammt: Apocalypse Now und Tropic Thunder, Rambo und Rambo 2, Full Metal Jacket und Missing in Action.

All diese Filme, die guten wie die schlechten, haben zwei Dinge gemeinsam: Sie zeigen den Krieg aus einer rein westlichen (sprich: amerikanischen) Sicht, Und sie kümmern sich allerhöchstens am Rande um Ursachen und Auslöser des Krieges.

Mashup der iPod-Werbung und der Bilder aus Abu Ghraib (Quelle: Politicalgraphics.org)

Je älter ich wurde, umso mehr begriff ich, wie wenig ich wirklich über den Vietnamkrieg wusste. Von Agent Orange hatte ich noch gehört und das berühmte Foto mit den von Napalm verbrannten Kindern gesehen. Aber der Zwischenfall im Golf von Tonkin? My Lai? Die Einnahme von Saigon? All das musste ich mir nachher mühsam anlesen, und selbst damit kratze ich gerade einmal an der Oberfläche. Mit den eigentlichen Hintergründen des Krieges, etwa den Folgen der französischen Kolonialherrschaft oder den Machtverhältnissen auf der Seite der Kommunisten, habe ich mich nie ernsthaft beschäftigt.

Im Gegensatz dazu bin ich alt genug für den Irakkrieg. Ich saß vor dem Fernseher, als das World Trade Center in sich zusammenfiel, und ich hörte Dick Cheney zu, wie er vor der UN die „Beweise“ für Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen darlegte. Ich kann zumindest in Grundzügen den Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten erklären und weiß auswendig, wie viel es gekostet hat, die Zelte der US-Soldaten zu kühlen (20 Mrd. Dollar im Jahr).

Dadurch, dass ich der Berichterstattung über den Krieg mehr oder weniger konstant gefolgt bin, habe ich am eigenen Leib erfahren, wie schnell man abstumpft, wenn die nächste Horrormeldung über Selbstmordanschläge oder per Drohnenangriff massakrierte Hochzeitsgesellschaften hereinkommt. (Gab es diese Abstumpfung auch während des Zweiten Weltkriegs? Vermutlich schon, auch wenn das angesichts der Dimension des Mordens kaum vorstellbar erscheint.) Ich kann Referenzen in Kunst, Protest und Satire dekodieren; die Green Zone ist für mich mehr als ein Film mit Matt Damon, und die weißen Ohrhörerkabel des iPod werden mich immer an Abu Ghraib erinnern. Der Zynismus, der in Missionsnamen wie „Enduring Freedom“ oder dem selbstgesteckten Ziel des „Nation Building“ steckt, lässt mich schaudern. Mission accomplished? ISIS lacht sich schlapp.

Ich bin ein Kind der Zeit, in der dieser Krieg stattfindet. Und weil dem so ist, weiß ich endlich, wie schwierig es ist, Geschichte zu begreifen, die längst Geschichte ist.

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