Die Form der Wolken über der See

Vor mehreren Jahren las ich in einem Interview einen unscheinbaren Satz. Siegfried Lenz erzählte, wie er an seiner Novelle Schweigeminute schrieb und ihm die genaue Form der Wolken über der Küste nicht einfallen wollte. Also fuhr er ans Meer, um ausgiebig den Himmel zu betrachten. Erst danach war er in der Lage, den Text fortzusetzen.

Ich bewundere seinen Drang, die Dinge so zu schildern, wie sie wirklich sind. Niemand hätte es gemerkt, wenn Lenz sich die Wolkenform einfach ausgedacht hätte, aber damit gab er sich nicht zufrieden.

Heute ist Lenz gestorben. Seine Bücher bleiben uns zum Glück erhalten.

(Foto von flickr-Nutzer WalliNet)

Heute, 20:30 Uhr: Vortrag über „Die Kunst, von der Kunst zu leben“

In drei Stunden halte ich meinen Vortrag auf den MetaRheinMainConstructionDays. Um 20:30 geht’s los, und zwar auf der Großbaustelle BER.

Schade, dass ich nicht in Person in Darmstadt sein kann. Sehr gerne würde ich mir die anderen Veranstaltungen und Workshops zu Gemüte führen. Aber laut Bauleitung gibt das Budget meine Flugtickets einfach nicht her… :-)

Ein Ratschlag

Ich wurde heute um Rat gefragt: Jemand hatte den ersten eigenen Text an drei Testleser weitergegeben, und „die Kritik war vernichtend“. In der Quintessenz lautete die Frage, ob er/sie aufgeben sollte. Hier ist meine Antwort im vollen Wortlaut.

Mist. Vernichtende Kritik ist eine hässliche Sache, selbst (gerade) dann, wenn sie berechtigt ist. Umso schöner ist es, dass du offenbar nicht aufgibst, sondern versuchst, ein besserer Autor zu werden. Das ist die richtige Geisteshaltung :-)

Randnotiz: Es spricht für deine Testleser, dass sie deinen Text nicht der Höflichkeit wegen „ganz, ganz toll“ finden, sondern dass sie dir eine ehrliche Rückmeldung geben. Du solltest sie dir warmhalten.

Bevor du weiterliest: Denk bitte dran, dass es keinen richtigen und falschen Weg gibt, um Autor zu werden. Ich helfe dir gerne mit Tipps und Ratschlägen weiter, aber jeder, der schreiben will, muss seinen eigenen Weg finden. Es ist gut möglich, dass ich dich oder deine Situation falsch einschätze und dich falsch berate, oder dass ich dir etwas vorschlage, was mir geholfen hat, für dich aber kontraproduktiv wäre. Bitte nimm nichts von dem, was ich sage, für der Weisheit letzten Schluss. Es gibt nur eine/n, der/die weiß, was für dich richtig ist, und ich bin es nicht.

OK, dann ab in medias res:

Ich rate dir davon ab, dein Manuskript weiter zu verteilen. Wenn drei Leute unabhängig voneinander keinen Spaß daran haben, wird es dem vierten oder vierzigsten Leser wahrscheinlich genauso gehen. Abgesehen davon sind Literaturprofis von Berufs wegen noch kritischer als „gewöhnliche“ Leser, und mit Kritik halten sie noch weniger hinter dem Berg.

Wenn ich an deiner Stelle wäre, würde ich dein jetziges Manuskript ins Verzeichnis „gescheiterte Projekte“ schieben und etwas Neues versuchen. Das muss nicht gleich morgen sein – manchmal ist es gut, eine Schreibpause zu machen. In der Zwischenzeit könntest du dich ein wenig mit dem Handwerkszeug beschäftigen. Die nüchterne Wahrheit ist nämlich, dass Schreiben zum größten Teil Handwerk ist – und Handwerk kann man erlernen.

Du könntest z.B. Bücher von verschiedenen Autoren lesen, die du magst, am besten aus dem Genre, in dem du selbst schreiben möchtest. Gut geeignet sind Bücher, die du schon kennst. Achte beim Lesen darauf, wie unterschiedliche Autoren die typischen Probleme lösen, vor denen jeder von uns steht: wie sie ihre Figuren aufbauen, wie sie Atmosphäre und Spannung erzeugen, wie sie Wiederholungen vermeiden usw. Kurz gesagt: Lerne von anderen. Wir kochen alle nur mit Wasser, und es gibt einen Haufen Tricks und Rezepte, die zu kennen das Schreiben einfacher macht. Ich persönlich habe viele dieser Tricks in Büchern über das Schreiben gefunden; einige Titel habe ich im AMA genannt.

Dann, wenn du ein bisschen Abstand gewonnen hast, schreib einen neuen Text, einen, der nichts mit deinem vorigen Text zu tun hat. (Diesen hebst du auf, bis du Bestsellerautor bist und deinen eigenen Schreibratgeber veröffentlichst. :-) Es kann helfen, es nicht gleich mit einem ganzen Roman zu versuchen, sondern erst einmal mit ein oder zwei Kapiteln, oder mit einer Kurzgeschichte. So hast du schneller ein vorzeigbares Ergebnis, und deine Testleser werden es dir danken, dass sie weniger Zeit dafür aufwenden müssen. Wenn ihnen der neue Text gefällt, werden sie schon von allein nach mehr fragen.

Soviel fürs Erste. Wie gesagt, das sind alles nur Vorschläge. Letzten Endes gibt es nur dich und die leere Seite. Niemand redet dir beim Schreiben hinein – das ist das Großartige daran, und auch das Schreckliche. Wenn du damit klarkommst, dann kannst du auch mit allen anderen Hindernissen des Autorendaseins klarkommen.

Nur Mut!

Warum ich jetzt doch ein Facebook-Konto habe

Vor nicht allzu langer Zeit habe ich ausführlich meine Gründe dargelegt, warum ich nicht bei Facebook bin. Die Kurzfassung lautet: Die Nachteile von Facebook überwiegen die Vorteile, und darum bleibe ich Zuckerbergs Imperium fern.

Seit gestern habe ich nun einen Facebook-Account.

Warum habe ich meine Meinung geändert? Kurz gesagt geht es um Reichweite. Meine  Crowdfunding-Kampagne für Amoralisch läuft sein anderthalb Wochen, und bislang ist sie noch nicht so richtig in Schwung gekommen. Ich befeuere alle Kanäle – den Kampagnenblog, Twitter, einem AMA auf Reddit, Zeitungsartikel, E-Mails, Mundpropaganda –, aber wie es aussieht, ist das nicht genug, um die nötige kritische Masse zu erreichen. Ich bin überglücklich über all die Unterstützung, die ich bereits bekommen habe, aber zum Erfolg fehlen noch immer gut 250 Buchvorbestellungen. Und ich glaube nicht, dass das mit meiner bisherigen Strategie zu schaffen ist.

Nun ist Aufgeben keine Option. Ich habe zwei Jahre an Amoralisch gearbeitet. Es ist ein tolles Buch, und jeder soll es lesen können.

Also: Facebook.

Ob es mir damit gelingt, den nötigen Schwung zu erzeugen, weiß ich nicht. Aber es ist eine Chance, die ich auf keinen Fall vertun will. Tja, und darum habe ich mir gestern einen Account angelegt. Meine Probleme mit Facebook sind nicht verschwunden, nur wiegen die Vorteile plötzlich schwerer.

Die nächsten Tage werden lustig, wenn ich mich mit den Grundlagen der Facebook-Etikette auseinandersetze. Wenn mich jemand liket, ist es dann ein Fauxpas, wenn ich nicht zurück-like? Wie reagiere ich, wenn jemand etwas in meine Chronik stellt? Und ist „liken“ überhaupt ein echtes Verb? Schreib mir doch etwas dazu auf meiner Facebook-Seite :-)